KLEIDEN

Portraits von Maria Theresia

Bei unserer Kampagne „Museumsstoff“ geht es um das Thema Kleiden und Textilien im Museum. Als wir unser Haus, das Heimatmuseum Günzburg, im Kopf durchgingen, stellten wir fest, dass es überall Textilien zu sehen gibt – nicht nur in Form von Stoffen, sondern auch auf zahlreichen Gemälden. Wir ergriffen die Gelegenheit, ein Projekt umzusetzen, das schon lange in unserer Schublade liegt: die Vorstellung einiger unserer zahlreichen Portraits der Erzherzogin Maria Theresia von Österreich (1717-1780). Sie regierte von 1740 bis 1780 das Habsburgerreich – und damit auch Günzburg. Die Stadt ist noch heute stolz auf ihren vermeintlich guten Draht zur Herrscherin und ihre Regierungszeit wird im lokalen Gedächtnis als Blütezeit wahrgenommen.

Die barocke Influencerin

Wir kennen es aus den Sozialen Medien: Mit ihrer Kleidung, Accessoires, Kulissen und Posen stellen sich die Menschen dort so dar, wie sie wahrgenommen werden möchten. Dies war auch für die Herrschenden früherer Zeiten extrem wichtig, um als solche anerkannt zu werden. Ein und dieselbe Person kann durch ihre Selbstdarstellung in zahlreichen Rollen also unterschiedlichste Aussagen transportieren und damit ihr Image beeinflussen. Herrschende früherer Zeiten waren immer auch in gewisser Weise Influencer in Sachen Mode, Geschmack und Zeitgeist überhaupt.

Selbst ein scheinbar ganz privates Bild trifft eine Aussage. Hier fehlen jegliche Herrschaftsinsignien wie Kronen und Zepter, doch Maria Theresia ist mit einer großen Brosche am Ausschnitt und passendem Diadem prächtig gekleidet. Hinzu kommen ein teurer dunkler Pelzkragen und ein rosa Hermelinmantel – einziger Hinweis auf das Herrschertum. Auf einem offiziellen Portrait würde die Erzherzogin aber eher einen roten Hermelin tragen. Die Weichheit der Kleidung wird hier noch unterstrichen, da das Portrait mit Pastellkreide gezeichnet ist, sodass alle Konturen leicht verwischen. Das lässt Maria Theresia nahbar und menschlich wirken. Ein solches Bild könnte in der Wohnung eines reichen Bürgers oder weitläufigen Verwandten der Herrscherin gehangen haben, der seine Treue zu ihr zeigen oder einfach die Nähe einer bewunderten Person genießen wollte.

Eine Demonstration der Macht

Ganz anders wirkt da Maria Theresias Darstellung als Monarchin. Dieses Gemälde erinnert an die Herrscherportraits ihrer Zeit – man denke zum Beispiel an Ludwig XIV. von Frankreich. In typischer Herrscherpose wirkt die Erzherzogin unnahbar und entrückt, unterstrichen wird das noch durch ihre unnatürlich blasse Hautfarbe. Dieses Portrait demonstriert ganz klar ihren Reichtum und ihre Macht. Nicht umsonst sieht man im Hintergrund die Stephanskrone und den Reichsapfel mit Doppelkreuz, die sie als König von Ungarn ausweisen – ihr prestigeträchtigster Titel. Vermutlich stammt das Bild aus dem Günzburger Schloss, in dem sich die habsburgischen Behörden befanden. Solche „Amtsstubenbilder“ waren für Maria Theresia neben den Münzen mit ihrem Konterfei ein wichtiges Hilfsmittel, um als Monarchin im gesamten Reich präsent zu sein. Als absolutistische Herrscherin stand sie über allem, erfüllte mit ihrer Regierung einen göttlichen Auftrag und war keinem Menschen Rechenschaft schuldig. In der Praxis sah das freilich oft anders aus, aber nach außen musste die Monarchin so wirken.

 

Eine Herrscherin mit ihrer Vorgeschichte brauchte ein Image als starke Persönlichkeit. Unmittelbar nach Maria Theresias Herrschaftsantritt im Jahr 1740 wurde sie in einen mehrjährigen Krieg verwickelt, denn die benachbarten Reiche erkannten sie als weibliche Herrscherin nicht an. Ohne Brüder musste sie als älteste Tochter die Dynastie nach dem Tod ihres Vaters weiterführen, was zunächst sehr umstritten war. Erst nachdem sich Maria Theresia als Feldherrin bewiesen und die europäische Öffentlichkeit für sich gewonnen hatte, konnte sie sich als einzige Frau an der Spitze des Habsburgerreiches durchsetzen. Vermutlich ist in diesem Zusammenhang das Reiterportrait entstanden, denn im Hintergrund ist ein Feldlager zu sehen. Der Krummsäbel an Maria Theresias Hüfte weist auf die Ausrüstung ungarischer Husaren und damit ihre Rolle als König von Ungarn hin. Sie liebte als junge Frau zwar das Reiten, gelangte jedoch niemals auch nur in die Nähe eines ihrer Schlachtfelder.

Für alle Sorgen ein offenes Ohr?

Einige Jahre später entstand ein ganz und gar nicht kriegerisches Portrait. Hier erscheint Maria Theresia als milde und nahbar, was ebenso eine Illusion darstellt, wie die intime Atmosphäre dieser Situation. Normalerweise war eine Audienz streng formalisiert und fand unter den Augen des ganzen Hofes statt. Interessant ist die schwer lesbare Inschrift links unten: „so weis die Maria re[gina] auch ihre entferntesten Unterthanen aufzumuntern“. Um einen einfachen Untertanen handelt es sich hier jedoch auf keinen Fall, denn er ist nach der neuesten Rokoko-Mode gekleidet, ausgezeichnet mit einer Medaille und einem langen Degen. Vielleicht war er sogar ein Adeliger. Arme Untertanen hatten ohnehin keinen Zugang zum Hof. Maria Theresia demonstriert auch auf diesem Bild, indem sie erhöht sitzt, eindeutig ihre Machtposition, obwohl sie sehr schlicht gekleidet ist. Nach dem Tod ihres Mannes Franz Stephan von Lothringen im Jahr 1765 trat Maria Theresia nur noch in unscheinbarer schwarzer Witwentracht auf. Sie entwickelte einen regelrechten Totenkult um ihren verstorbenen Gatten und zog sich von allen öffentlichen Vergnügungen zurück.

Nachwuchs für den Machterhalt

Damit es ihren Kindern bei Herrschaftsantritt nicht ebenso erginge wie ihr, musste die Erzherzogin für den Fortbestand der Dynastie sorgen. Es war für Maria Theresia also besonders wichtig, viele Kinder zu haben. Diese wurden auch häufig auf Portraits dargestellt, um den Glauben an die Kontinuität der Dynastie in der Bevölkerung und bei den benachbarten Monarchen zu festigen. Auf unserem Druck sieht man Maria Theresia und ihren Mann Franz Stephan mit dreizehn ihrer insgesamt sechzehn Kinder. Es fehlen die drei Kinder, die bei der Entstehung des Bildes schon verstorben waren. Auffällig ist die ähnliche Kleidung von Franz Stephan und dem Thronfolger Joseph und von Maria Theresia und ihrer jüngsten Tochter Marie Antoinette. Diese wurde schon mit elf Jahren mit dem Kronprinzen Ludwig von Frankreich verlobt. Ihr Kleid könnte ein Hinweis auf ihre zukünftige Rolle als Königin von Frankreich sein. Diese Hochzeit war für Maria Theresia einer der größten außenpolitischen Erfolge – Hochzeiten aus Zuneigung waren unter den Herrschenden zu ihrer Zeit mehr als selten. Die Erzherzogin gewährte eine solche nur ihrer Lieblingstochter Maria Christina (1742–1798). Der Text unter unserem Familienbild bedeutet frei übersetzt „Auch Du wirst einst noch vom Hause Österreich beherrscht werden“ und bringt damit die Aussage des Bildes auf den Punkt: Durch eine große Kinderschar wird die Macht der Habsburger gesichert und sogar ausgebaut.

Maria Theresia ist Kult

Maria Theresia wird, wie wir sehen, auf unseren Portraits sowohl als perfekte Herrscherin – mit den Eigenschaften mächtig, standhaft, kriegerisch, milde und nahbar – und gleichzeitig als perfekte Frau ihrer Zeit dargestellt. Sie tat sehr viel dafür, als Mensch gesehen zu werden, der Familie und „Beruf“ ohne Probleme unter einen Hut bringt, obwohl sie ihre Kinder natürlich nicht selbst erzog. Dieses Image mündete in einen regelrechten Kult um Maria Theresias Person. Unser letztes Portrait entstand in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, also gut 80 Jahre nach dem Tod der Erzherzogin. Der Druck war leicht zu vervielfältigen und konnte so eine weite Verbreitung unter ihren Bewunderern finden. Dargestellt ist ein Besuch der Herrscherin im Atelier ihres Hofmalers Martin van Meyten (1695–1770) mit einer Begleiterin und zwei ihrer Kinder. Maria Theresia wirkt hierbei bürgernah und mütterlich, doch das Bild ist alles andere als realistisch. Außerhalb ihrer privaten Wohnräume war die Erzherzogin ständig von Mitgliedern ihres Hofstaats umgeben. Für ein Portrait trägt sie ein merkwürdig schlichtes Kleid mit geradezu züchtigem Ausschnitt, ihre Körperhaltung wirkt in sich gekehrt – ein Image, das Maria Theresias zeitgenössischen Darstellungen eher widerspricht. Hier wird vielmehr das Frauenbild des neunzehnten Jahrhunderts mit seinen gewünschten Eigenschaften Zurückhaltung, Häuslichkeit und Mütterlichkeit auf Maria Theresia projiziert. So blieb sie auch Jahrzehnte nach ihrem Tod ein Vorbild, obwohl diese Darstellung ihrer Person der Monarchin vermutlich nicht besonders gefallen hätte.

Die hier vorgestellten Portraits sind vom 21. Mai bis 18. Juni 2023 im Heimatmuseum Günzburg zu sehen. Informationen zur Ausstellung findet ihr unter www.guenzburg.de/museum.

 

Autorin: Julya Berzen, Heimatmuseum Günzburg

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